Die Cowboys im Schnee – Von Warner Springs nach Idyllwild (Meile 109 bis 179)

Unseren Zero Day im Community Center von Warner Springs verbringen wir damit, wie hungrige Löwen vor der Hikerbox auf Lauer zu sitzen. Weil Warner Springs nur eine Tankstelle als Lebensmittelladen hat, haben sich die allermeisten Hiker ein Verpflegungspaket dorthin vorausgesendet. Zu unserm Glück haben viele Leute zu viel Essen verschickt und weil niemand Lust dazu hat, mehr Essen zu schleppen als er braucht, wandert der Überschuss in die Hikerbox, aus der sich andere Hiker (also wir) bedienen können. Die beliebten Sachen wie Schoko-, Energyriegel und gefriergetrocknete Abendessen sind innerhalb von Sekunden weg, während die Ladenhüter, vor allem selbstgemixtes Oatmeal und selbstgemixter Trailmix (so nennt man hier Studentenfutter) so aussehen, als liegen sie schon einige Wochen da. Während wir uns also faul mit den Hikern unterhalten, mit denen wir schon gestern die Mittagshitze abgewartet hatten, springen wir immer mal wieder auf, wenn die Hikerbox neu befüllt wird und gucken, ob darunter irgendetwas brauchbares zu finden ist. Am Ende hat sich das Warten mehr als ausgezahlt: Wir haben genug Essen für 4 Tage und müssen uns aus der Tankstelle nur noch ein Brot und Ernussmuß kaufen. Wir haben uns zwar von Rick, der schon den Appalachian Trail gelaufen ist, sagen lassen, dass Thruhiker die Peanut Butter direkt aus dem Glas löffeln, nach 8 Tagen Trail konnten wir allerdings noch ein kleines bisschen zivilisatorischen Anstand retten.
So ausstaffiert machen wir uns am nächsten morgen pünktlich mit dem Sonnenaufgang um 5:30 auf in Richtung Idyllwild. Wir kommen gut voran und haben gegen 2:00 schon unser Tagesziel von 20 Meilen erreicht. Dort befindet sich die Finca von Mike, auf dem PCT einfach als ‚Mike’s Place‘ bekannt. Er lässt Hiker unter seinem Vordach die Hitze abwarten, in seinem Garten campen und, hier in der Wüste am wichtigsten, seinen Brunnen benutzen. Dafür darf man ihm dann ein kleines Trinkgeld da lassen. Wir setzen uns zu den anderen Thruhikern, die auf Sesseln und Hängematte abliegen und kochen uns erstmal Mac and Cheese mit Taco Seasoning aus der Hikerbox. Als es gegen 5:00 wieder kühler wird, werden aber auch wir wieder von der Aufbruchsstimmung erfasst und wir entschließen uns noch 2 Meilen weiter auf einem Bergkamm zu wandern, um dort die Nacht zu verbringen.

Das Wetter ist wie immer wolkenlos und da auch in der Nacht kein Niederschlag zu erwarten ist, schlagen wir unser erstes Cowboy-Camp auf. Wir legen uns also direkt unter die Sterne aufs Ohr und bauen unser Zelt gar nicht mehr auf. Auf unserem Bergkamm können wir so noch den wahnsinnig schönen Sonnenuntergang genießen und sehen auch wie langsam der Mond und die Sterne über uns aufgehen. Tatsächlich ist der Mond noch so hell, dass wir kaum einschlafen können. Das macht aber nichts, weil wir so dann noch länger die deutlich sichtbare Milchstraße über uns bestaunen dürfen. Auch dass wir vor dem Zubettgehen eine kleine Klapperschlange nur 20 m entfernt vom Camp gesehen haben, kann uns jetzt nicht mehr stören.
Am übernächsten Tag müssen wir eine schwierige Entscheidung treffen: Gehen wir mit Rick, Ori und Donny den deutlich kürzeren Weg an der Straße nach Idyllwild oder schlagen wir uns alleine durch den längeren und bergigeren Pfad. Dabei sind zwei Dinge wichtig zu wissen: 1. der offizielle PCT ist bis nach Idyllwild wegen Waldbrand sowieso geschlossen und die alternative Route führt teilweise über nicht sehr schön zu gehenden Straßen. 2. Schlechtes Wetter ist vorhergesagt. Es soll gewittern, regnen und schneien. Da klingt es natürlich schon verlockend, möglichst schnell in den Ort zu kommen, um im gemütlichen Hotel das Wetter auszusitzen. Während die weichgespülten Amis also die Abkürzung nehmen, wagen sich die zwei tapferen Deutschen ins Gebirge. Schon bald kommen wir in dichten Nebel und heftigen Wind. Schon halb unsere Entscheidung bereuend steigen wir gegen 13:00 vom eigentlichen Trail, der auf einem offenen Kamm verläuft, in ein geschütztes Tal mit einer Quelle und windbrechender Vegetation hinab. Da es nun so aussieht als könnte jede Minute der Wolkenbruch losgehen, entscheiden wir uns dazu, unser Zelt früh aufzubauen und das Unwetter dort abzuwarten. Also kriechen wir in unsere Quilts und warten. Und warten. Tatsächlich müssen wir bis zum Abend warten, bevor es richtig losgeht. Dann wird es aber auch so heftig, dass wir über unser gut geschütztes Plätzchen an einer Bergflanke und hinter einer Hecke auch echt froh sind. Vom Sturm geschüttelt schlafen wir endlich ein und erleben am nächsten morgen eine weiße Überraschung. Es hat tatsächlich geschneit und wo gestern noch 40 Grad trockene Hitze herrschte, bedeckt nun eine weiße Schicht das ganze einsame und stille Tal.
Wir machen uns also auf den Weg und zum ersten mal sieht der Trail wirklich einsam aus. Wir sind die ersten, die unsere Fußspuren in den Schnee setzen. Die Kakteen, Sträucher und Bäume tragen eine von Windböen aufgetragen 3 cm dicke Schneeschicht. Der Nebel hält uns zwar noch fest in seiner grauen Faust und die Ausblicke sind sehr spärlich, trotzdem ist es ein ganz besonderes Erlebnis die Sonnenverbrannte Erde und Pflanzen im Schnee bedeckt zu sehen.
Vom immer noch fallendem Schnee durchnässt und ausgekühlt kommen wir nach 15 Meilen am Highway an, der nach Idyllwild führt. Wir strecken unsere Daumen raus und hoffen, dass wir miserabel genug aussehen, damit jemand Mitleid mit uns bekommt. Wir haben Glück: Gleich das vierte Auto erbarmt sich unser und hält an! Ein junges Pärchen nimmt uns zwei tropfende Gestalten mit. Das Hotel, das wir uns mit zwei anderen Hikern teilen, ist schon reserviert und wir können uns direkt mit einer heißen Dusche aufwärmen.
Am Abend im überraschend netten Hotelzimmer, das sogar eine kleine Küche hat, kommt noch Ori rüber, der für die Nacht eigentlich wo anders untergekommen ist. Ori ist 23 Jahre alt, kommt aus Israel und hat sich für den PCT eine Pause vom Militärdienst genommen. Er kocht uns vier, also er selbst, Rick und uns beiden, ein sehr leckeres israelisches Gericht mit Reis, Linsen und Salat und wir diskutieren beim Essen, wie man am besten die San Jacinto Peak, mit 3302 m der zweit höchste Berg im südlichen Kalifornien, in Angriff nehmen kann.

Hier gehts zum nächsten Teil:

Trailmagic und Hikerhunger Idyllwild bis Big Bear Lake (Meile 179 bis 266)

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2 Antworten

  1. Die Tante sagt:

    Eure Berichte werden mit Spannung erwartet – eigentlich schaue ich keine Serien und lese keine Fortsetzungsromane, aber bei Euch warte ich jedesmal ungeduldig auf die Fortsetzung – und die Fotos…weiterhin gutes Thruhiken und viel Glück für den 3300er.

  1. 10. Juli 2018

    […] Die Cowboys im Schnee von Warner Springs nach Idyllwild (Meile 109 bis 179) […]

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