Via Dinarica – Kroatien II – Der Premužić Pfad im Velebit
Der Velebit enttäuscht uns nicht. Laut Wikipedia bedeutet der Name „Großes Wesen“, hat kulturell für die Kroaten eine ähnliche Bedeutung wie der Olymp für die Griechen und bildet eine natürliche Klimabarriere zwischen der Küste und dem Landesinneren. Auch gibt es hier wegen dem Karst viele Höhlen, eine davon fällt direkt 500m in die Tiefe ab. Damit sind alle Voraussetzungen für eine tolle Wandertour gegeben!
Erstes Tagesziel für uns ist die Berghütte Zavizan am Eingang vom Nationalpark Nördlicher Velebit. Auf dem Weg müssen wir aber erst noch bei einer von Franzosen bewohnten Ferienwohnung nach Wasser fragen. Die Schutzhütte hier existiert zwar noch, das Wasser ist aber leider abgestellt. In Zavizan können wir dafür nochmal kurz unsere Handys aufladen. Wir haben gestern Abend viel Akku beim Versuch eine Time-Laps von Sonnenuntergang aufzunehmen verschwendet.
Am frühen Nachmittag geht‘s dann tiefer in den Nationalpark hinein. Auf dem Premužić Pfad kommen uns noch einige andere Wanderer entgegen, aber ab ca. 17:00 Uhr haben wir die beeindruckenden hoch aufragenden Karstformationen für uns alleine. Der ca 50km lange Premužić Fernwanderweg wurde in den 30er Jahren angelegt und führt auf eindrucksvolle Weise durch ansonsten sehr unwegsames Gelände.
Es ist ein echtes Highlight, wie der gut ausgebaute, breite Weg steil zu einer Seite hin abfällt, aber trotzdem selber komplett eben ist!
Links und rechts haben wir also viel zu gucken und zweimal klettern wir noch auf zwei ca. 1600m hohe weiße Karstgipfel und genießen die Blicke in die wilde unberührte Landschaft.
Gegen 18:30 kommen wir noch an einer kleinen, sehr malerisch gelegenen Schutzhütte vorbei und überlegen kurz, ob wir hier die Nacht verbringen sollen. Ein Zelt kriegt man zwischen diesen Felsspitzen nämlich mit noch so viel gutem Willen nicht aufgebaut. Dann aber haben wir eine bessere Idee: Wir biwakieren auf einem der größeren Gipfel.
Wir sich herausstellt, ist es zwar ziemlich windig und unbequem dort oben, aber der unschlagbare Blick auf Sonne, Mond und die mit bloßem Auge super zu erkennende Milchstraße machen das locker wieder wett. Ein Ranger sähe unser kleines Lager zwar bestimmt nicht gerne, dafür müsste er uns aber auch erstmal hier oben entdecken.
Ohne Zelt wachen wir früh mit den ersten Sonnenstrahlen auf und machen uns zwar nicht ganz ausgeschlafen aber dafür von der wahnsinnig eindrucksvollen Nacht beschwingt wieder auf den Weg. Hier im Velebit gibt es eine große Anzahl von bewirtschafteten und unbewirtschafteten Schutzhütten für Wanderer. Wir schlafen zwar nicht in ihnen (obwohl manche hochmodern sind und echt verlockend aussehen), aber auch für uns sind sie wichtig, weil sie im karstigen Gestein die einzigen Wasserquellen darstellen.
Gleich in der nächsten sind auch schon einige andere Wanderer mit dem reichhaltigen Frühstück beschäftigt, was ihnen der alte, drahtige Hüttenwart auftischt.
Ein Kroate sagt uns, es sind sechs Stunden bis zur nächsten Hütte und so füllen jeder drei Liter Wasser auf und machen uns auf den Weg. Was Wikipedia sagt, können wir jetzt auch tatsächlich bestätigen: die Hänge zur Küste hin sind nur mit Gras und dürren Büschen bewachsen, auf der anderen Seite hingegen finden wir dichte Laubwälder, die angenehm Schatten spenden.
Einmal sehen wir vor uns wie drei Wildschweine den Trail überqueren. Es sind zwar keine Braunbären aber ein bisschen Respekt haben wir vor ihnen schon. Fredi reagiert in dieser Situation jedoch souverän: in echter Obelix Manier beginnt er sich den Bauch zu reiben und ruft mehrmals laut hintereinander „Wildschweine, Wildschweine, wir kommen!“ Das dürfte ihnen einen gehörigen Schrecken eingejagt haben und so gehen wir laut lachend die letzten paar Kilometer zur nächsten Hütte.
Als wir von dort wieder aufbrechen, ist es schon später Nachmittag. Deshalb gibt uns der freundliche, etwas gebeugt gehende Hüttenwart, der nur ein paar Wörter Deutsch spricht und argwöhnisch den Himmel beäugt, über den eben noch ein Gewitter gezogen ist, den Hinweis, bis zum nächsten Ort ohne Pause durchzulaufen. „Laufen. Laufen. Laufen. Keine Pause. Dann: Essen. Duschieren. Schlafen.“ Das hat er so überzeugend gesagt, dass es für die nächsten Tage unser Mantra wird, mit dem wir uns immer wieder motivieren, wenn unsere Beine müde werden.
Da wir aber Geld sparen wollen und eigentlich sowieso lieber im Zelt schlafen, schlagen wir eine Stunde später in einem steilen und total einsamen Tal unser Lager auf. Wir müssen sogar erst ein paar Rehe aus dem verwunschenen Talkessel verscheuchen.
Einem warmen Frühstück und einem Vormittag Pause können wir am nächsten Tag in Baške Oštarije aber nicht widerstehen. Auch ein holländisches Vater-Sohn-Paar, was wir gestern am Morgen in der Wanderhütte gesehen haben, treffen wir hier wieder, auch wenn wir uns nicht ganz sicher sind, wie sie hierher gekommen sind, auf dem Trail haben wir sie nämlich nicht gesehen. Gegen 13:00 geht‘s dann tiefer hinein in den südlichen Velebit. Der Premužić-Weg hört hier zwar auf und die Via Dinarica ist wieder merklich schlechter ausgebaut und markiert, aber die Landschaft wird sogar fast noch schöner. Wir wechseln wieder öfter zwischen einem auf eigene Weise sehr schönem und dichten Wald auf der Einen und offenen Wiesen mit Meerblick auf der anderen Seite. Nach ein paar Stunden schweißtreibenden Wanderns („Laufen. Laufen. Laufen. Keine Pause“) erreichen wir Śegarska Duliba, eine nagelneue, hochmoderne, unbewirtschaftete Schutzhütte. Solarpanels auf dem Dach sorgen für Strom und Beleuchtung, es gibt ein Waschbecken mit aufgefangenem Regenwasser und riesige bodentiefe Panoramafenster, die sogar Rollos haben, bieten einen Wahnsinns Ausblick auf das Meer und die davor liegendem Berge, die hier nicht mehr ganz so karstig sind.
Vor diesem baulichen Prachtwerk, das trotz seiner Modernität mitten in der Wildnis nicht fehl am Platz wirkt, sitzt ein älteres kroatisches Ehepaar mit Pivo, das uns sehr nett begrüßt und sichtlich stolz auf das ist, was ihr Wanderverein da hingestellt hat. So ganz verstehen sie also nicht, warum wir trotzdem weiter wollen. Wir haben nämlich auf dem Berg über der Hütte einen traumhaft schönen, windgeschützten Platz für unser Zelt gefunden. Als wir ihnen aber erklären das wir ein Zelt dabei haben und auf der Via Dinarica unterwegs sind, gucken sie immerhin nicht mehr ganz so erstaunt und zeigen uns noch den Weg zur Zisterne, aus der wir noch unser Wasser auffüllen.
Unser Zeltplatz hält dann auch wirklich, was er verspricht: auf einem kleinen Vorsprung unterhalb des Gipfels können wir das gesamte Tal inklusive farbvollem Sonnenuntergang überblicken.
12km sind es am nächsten Morgen zum nächsten Brunnen, wieder in einem einsamem Tal mit Hütte gelegen. Stap heisst das Tal und erinnert mit seinen steilen Felswänden und einem markant herausragenden Felsendom ein wenig an das Yosemite Valley in Kalifornien.
In die Geheimnisse der Brunnenpumpe muss uns aber erst noch eine andere Wanderin einweisen. Man muss, um genügend Druck aufzubauen, nicht nur zuerst etwas Wasser oben in die Pumpe gießen, sondern auch noch so schnell pumpen, als ob das eigene Leben davon abhängt. Nachdem sie es einmal vorgemacht hat, kriegen auch wir es hin unsere Flaschen zu füllen. Nach einem Brunch bei dem wir von den beiden Wanderinnen noch etwas extra Proviant zugesteckt bekommen, machen wir uns wieder auf den Weg. Es ist ganz schön heiß und trotz einer Pause unter einigen Reneklodenbäumen, an denen wir uns gütlich tun, macht uns die Wanderung in der prallen Sonne ganz schön fertig. Zum Abschluss des Tages steht auch noch ein steiler Anstieg in den Paklenica Nationalpark an.
Hier im südlichen Velebit ist es wirklich einsam und wild. Den ganzen Tag haben wir nur drei andere Menschen getroffen, auch wenn wir einige verfallene Ruinen und ein paar Kühe sehen. Unser Zelt schlagen wir in einem schönen, unberührten Tal auf. Nur der Wanderweg und ein Brunnen verrät die Anwesenheit von Menschen. Ansonsten sind lediglich Spuren von Wildschweinen zu sehen.
Der nächste Tag, unser letzter im Velebit, hält nochmal besonders schöne Natur für uns bereit. Der Velebit ist im Süden am schmalsten, hat aber auch seine höchsten knapp 1800m hohen Gipfel hier.
Über einige führt uns die Via Dinarica direkt hinüber, andere lassen wir links liegen. Zur Rechten sehen wir gerade noch die letzten Ausläufer der Adria, zu unseren Linken befindet sich ein breites, tiefliegendes, sehr flaches Tal, in das wir schließlich auch Absteigen.
So geht unsere Velebit-Durchquerung noch mit einem landschaftlichen Höhepunkt zu Ende. Es ist ein einsames, verwunschenes, wandermäßig noch halbwegs unbekanntes Gebirge, was aber durch die vielen Schutzhütten die nötige Infrastruktur besitzt, um für Wanderer aller Art unglaublich attraktiv zu sein. Die Orientierung ist nicht immer ganz einfach, aber mit dem GPS Track auf unseren Handys hatten wir keine Probleme.
Allen die nach einer möglichst wilden ca. einwöchigen Wander- oder Trekkingtour in Europa suchen, sei die Via Dinarica im Velebit unbedingt ans Herz gelegt. Auch wenn die Schutzhütten wirklich einladend waren, haben uns vor allem die vielen Möglichkeiten zum Wildzelten begeistert. Ein Platz war da schöner als der andere.
Hallo ihr 2!
Danke für die tolle Beschreibung des Trails durch den Velebit! Ich möcchte Juli mit meinen beiden Söhnen genau diesen Weg allerdings in entgegengesetzter Richtung trekken und eure Beschreibung hat uns die Sorge um die Wasserversorgung und Bären genommen, denn wir wollen ebenfalls zelten.
Und hier meine Frage: Wo kann ich denn die GPS-Trail-Koordinaten bekommen? Freue mich auf deine Antwort! Lg Tobias aus RE